Christine Rühmann

RAUM – LICHT –  BILD
Das Erfassen eines Raumes oder eines Ortes in seiner Beschaffenheit und seiner spezifischen Eigenart ist ein sensorisch hochkomplexer Vorgang. Die Arbeiten Christine Rühmanns  reflektieren die Charakteristik von Orten und deren Wahrnehmung gleichermaßen.Die alltägliche Bewegung durch die uns umgebende Welt ist in der Regel von zweckgebundenen Aspekten geprägt. Schnelle Orientierung, Abschätzung von Distanzen, die überwunden werden müssen und zielorientierte Blicke ermöglichen effektives Handeln. Wahrnehmungsaspekte, die nicht diesem unmittelbaren Zweck dienen, werden in der vordergründigen Wahrnehmung verdrängt, was aber nicht ausschließt, dass keine weitergehenden Beobachtungen stattfinden. Sie hinterlassen Spuren, die zu entschlüsseln wir weder die Zeit noch die Möglichkeiten besitzen. Dennoch prägen diese Eindrücke unsere Erinnerung und die emotionalen Einstellungen, die wir gegenüber spezifischen Orten entwickeln. Christine Rühmann konzentriert sich in ihren ortsbezogenen Arbeiten auf genau jene verdrängten sensuellen Vorgänge, die unserer ganzheitlichen Erfassung entsprechen. In dem Wissen, dass eine räumliche Erfahrung durch keine Abbildung ersetzt werden kann, entwickelt sie ihre Arbeiten daher nicht als konventionelle Raumansichten.

Als Tänzerin und Photographin verfolgt sie ihre Annäherung von zwei methodisch völlig verschiedenen Ausgangspunkten. Die räumlichen Koordinaten des Ortes, den sie für ihre Spurensuche wählt, werden über ihre sensibilisierte körperliche Wahrnehmung als Aufzeichnung der eigenen Bewegungen festgehalten, die dann auf der Photographie ausschließlich als abstrakte Lichtspuren zu sehen sind. Diese Spuren sind unwiederholbare Momentaufnahmen, eingeschriebene Bewegungsfährten, die als Dokument der Vergänglichkeit die zeitliche Dimension unserer Wahrnehmung umschreiben. Die Präsenz des Beobachters wird in diesen Aufzeichnungen zum unabdingbaren Bestandteil des Raumes selbst. Durch die Mehrteiligkeit ihrer Arbeiten verlässt die Künstlerin zusätzlich die statischen Eigenschaften eines Raumes und fokussiert vielmehr die Flüchtigkeit des prozessualen Aspekts räumlicher Erfassung.Dabei überschreitet sie jedes autobiographische Detail, das sie mit dem Ort ihrer Wahl verbinden könnte. Ihre Photographien übermitteln vielmehr ein auf die wesentlichen Aspekte reduziertes Zeugnis unserer differenzierten Wahrnehmung. Die Spuren des durch Bewegung geformten Lichtes, die als einzige Eindrücke der körperlichen Präsenz bleiben, schaffen eine Brücke zu jenen Erfahrungshorizonten, die uns zwar nicht abhanden gekommen sind, die aber in unserer schnelllebigen Zeit unberücksichtigt bleiben.
Regina Schultz-Möller, galerie moeller